Tengrismus: Ein monotheistischer, aber bilderloser Glaube
- Adem Küçük
- 28. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Ein Blick zum endlosen Himmel…Eine Seele im Einklang mit der Natur…Und ein unerschütterlicher Glaube an die unsichtbare Kraft dort oben: Gök Tengri – der Himmelsgott.
Als die Türken in der Geschichte erschienen, wurden sie nicht von geschnitzten Götzen oder starren Dogmen geleitet.Sie glaubten an den Himmel selbst.Und dieses Glaubenssystem war nicht nur Religion – es war eine Lebensweise.
Wer ist Tengri?
Tengri bedeutet „Himmel“ oder „Himmelsgott“ im Alttürkischen.Er ist der Schöpfer, Beschützer und Ordner aller Dinge.Doch Tengri hat keine menschliche Gestalt, wird nicht dargestellt und nicht angebetet wie ein Götzenbild.Er ist unsichtbar, aber stets gegenwärtig – im Wind, im Feuer, in der Stille der Berge.
„Als der blaue Himmel oben und die dunkle Erde unten erschaffen wurden, wurde der Mensch dazwischen gestellt…“– Orkhon-Inschriften
So beginnen die heiligen Texte der alten Türken. Erst der Himmel, dann die Erde, dann der Mensch.
Monotheistisch – aber keine klassische Religion
Tengrismus gilt als monotheistisch,aber ist keine Religion im herkömmlichen Sinn, denn:
Es gibt keine Propheten,
Kein heiliges Buch,
Keine verpflichtenden Rituale,
Keine Tempel oder Kirchen.
Tengrismus ist naturverbunden.Richtig zu leben heißt: im Einklang mit der Natur und der Gemeinschaft zu leben.Es gibt kein Konzept von „Sünde“ – sondern Töre, das moralische Gesetz der Steppe.
Rituale und spirituelle Praktiken
Feuer ist heilig – es reinigt und verbindet mit dem Himmel.
Ahnengeister können angerufen werden.
Opfer sind Geschenke des Herzens, kein Tauschhandel.
Kam (Schamane) ist der Mittler zwischen Mensch und Geistwelt.
Weitere wichtige spirituelle Wesen:
Yer-Su: Geister von Erde und Wasser
Umay Ana: Schutzgeist der Frauen und Kinder
Erlik Han: Geist der Unterwelt, Prüfer der Seelen
Töre: Das Gesetz des Tengrismus
Tengrismus prägte nicht nur den Glauben, sondern auch die soziale Ordnung der Türken – durch das Gesetz Töre.
Töre ist mehr als Recht – es ist eine Lebensethik.Ein Kağan (Herrscher) war nur dann legitim, wenn er im Einklang mit Töre regierte und Kut – den göttlichen Segen – empfangen hatte.
Wo lebt der Tengrismus heute weiter?
Heute insbesondere unter:
Jakuten (Republik Sacha / Russland)
Tuwa, Altai-Türken, Chakassen
Und bei jungen Turkologen & Traditionalisten, die ihre Wurzeln neu entdecken
Tengrismus wird heute oft als spirituelle Rückkehr und kulturelle Identitätssuche verstanden.
Schlusswort: Glauben heißt, nach oben zu schauen – nicht sich zu beugen
Tengrismus lehrt:Das Heilige liegt nicht in Steinfiguren – sondern im Himmel.Der alte Türke betete nicht zu Bildern – sondern hörte auf den Wind, sah in die Sterne und ehrte das Unsichtbare.
Bei Otağ-ı Türk glauben wir:Tengri zu verstehen heißt, zu verstehen, wie der Türke lebte – frei, bewusst und zwischen Himmel und Erde.
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